Workshopergebnisse des AK-Pflegeforum „Ich pflege wieder, wenn…!“
Das diesjährige Pflegeforum knüpfte thematisch an die Studie „Ich pflege wieder, wenn…!“ an, die wir gemeinsam mit der Arbeitnehmerkammer Bremen und dem Institut Arbeit und Technik durchgeführt haben. Bereits im Herbst 2021 hatten sich an der Studie bundesweit 12.684 Menschen beteiligt, die entweder in Teilzeit in der Pflege tätig sind oder den Pflegeberuf verlassen haben.
Beim AK-Pflegeforum in Saarbrücken, wurden zunächst die wichtigsten Ergebnisse der Studie vorgestellt und im Anschluss zwei Workshops zu den Themen „Wertschätzende Führungskultur“ und „Verlässliche Arbeitszeiten“ angeboten.
Die Ergebnisse möchten wir gerne mit Ihnen teilen.
Workshops „Best Practice“ und „How to do“
1. Förderung einer wertschätzenden Führungskultur in den Pflegeberufen
2. Verlässliche Arbeitszeiten- Ausfallkonzepte und Dienstplangestaltung
Die Ergebnisse Workshop 1 „Wertschätzende Führung“
Leitfrage 1: Was ist eine wertschätzende Führungskultur?
Eine wertschätzende Führungskultur ist nicht einfach gegeben. Sie muss erarbeitet werden.
- Sie setzt voraus, dass man „den Anderen“ als Person kennt und nicht nur als Namen oder Funktionsstelle.
- Eine wertschätzende Führung nimmt den Anderen wahr, nimmt ihn ernst und hat Interesse an ihm und seiner Situation.
- Die Grundvoraussetzung für wertschätzende Führung ist „Zeit“ in ausreichendem Maße. Nur in der Zeit kann sie erarbeitet werden, sich entwickeln und gelebt werden.
- Wertschätzende Führung zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass sie auch in Situationen von Zeitnot und Zeitstress den Anderen als Person wahr und ernst nimmt.
Eine „wertschätzende Führungsperson“
Stellt sich vor die von ihr geführten Personen und schützt sie gegen Druck von außen, ist „selbstbewusst“, d.h. sie ist sich ihrer Grenzen bewusst. Gemeint sind hier allerdings nicht die fachlichen Grenzen, sondern die Grenzen ihrer Kompetenz und Fähigkeit beim Führen von Personen →weiß daher um die Notwendigkeit der Fort- und Weiterbildung ihrer selbst.
Zur Wertschätzung gehört Respekt
Respekt von jedem zu jedem anderen, von jeder Hierarchiestufe zu allen anderen, d.h.: nach unten, nach oben und auf der gleichen Hierarchiestufe.
Leitfrage 2: Was sind die wesentlichen Herausforderungen und Hemmnisse einer
wertschätzenden Führungskultur?
Grundsätzlich besteht die Herausforderung darin, dass Wertschätzung nicht objektiv genau bestimmbar ist, sondern stets subjektiv empfunden wird und deswegen von Person zu Person (in mehr oder minder großem Maße) unterschiedlich ist. Auch unterschiedliche kulturelle Sozialisationen sind hier von Bedeutung. Umso schwerer ist die in Leitfrage 1 genannte Erarbeitung einer wertschätzenden Führungskultur und umso wichtiger die ebenfalls unter 1 genannte Rahmenbedingung „Zeit“.
Das unstrittige Fehlen dieser Ressource bzw. der allgegenwärtige Zeit-Druck sind daher kapitale Hemmnisse für eine wertschätzende Führungskultur.
Unabhängig vom Berufsfeld der Pflege stehen in allen Bereichen der Gesellschaft noch immer Rassismus, Sexismus, Homophobie und weitere damit verwandte Diskriminierungen einer wertschätzenden Führungskultur im Wege.
In einer wertschätzenden Führungskultur soll unabhängig von der Position in der Hierarchie ein richtiger Hinweis, ein Einwand, ein Argument gehört und beachtet werden („der zwanglose Zwang des besseren Arguments“, „Evidenz statt Eminenz“).
Eine wertschätzende Führungskultur muss offensiv gelebt werden und darf nicht nur aus der Defensive reagieren, wenn bereits Mängel offenbar sind oder das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Leitfrage 3: Wer soll eine wertschätzende Führungskultur unterstützen?
Grundsätzlich muss eine wertschätzende Kultur von jedem Einzelnen ausgehen. Das schließt auch die Wertschätzung der eigenen beruflichen Rolle mit ein: Zum Beispiel sollte eine Pflegekraft, wenn sie für den Arzt gehalten wird, nicht sagen: „Ich bin bloß die Pflegekraft“. Sie ist die Pflegekraft und soll diese wichtige berufliche Rolle selbstbewusst zeigen.
Eine wertschätzende Führungskultur muss darüber hinaus den Führungskräften Rahmenbedingungen bieten, damit sie wertschätzend führen können: Coaching- und Mentoring- Möglichkeiten müssen verfügbar sein.
Weitere Erfolgsfaktoren für eine gelingende wertschätzende Führungskultur sind:
- Regelmäßige Feedbackrunden
- Regelmäßige Teambesprechungen
- Regelmäßige Klausurtagungen der Führungskräfte
Unterstützung muss eine wertschätzende Führungskultur auch dadurch erhalten, dass sie auf Ebene der Geschäftsführungen mit einer erweiterten Perspektive betrachtet wird.
Sinn und Zweck einer wertschätzenden Führungskultur enden letztlich nicht bei den Personen, die geführt werden sollen. Endzweck einer wertschätzenden Führung ist eine gute Pflege. Denn nur wenn die Pflegekräfte in einer wertschätzenden Arbeitsumgebung arbeiten können, kann Pflege im wirklichen Sinne gut gelingen.
Wenn gilt, dass schlechte Pflege Geld kostet, dann gilt eben auch, dass eine nicht wertschätzende Führungskultur Geld kostet. Dennoch sind die Pflegekräfte keinesfalls damit nur Mittel zum Zweck. Wertgeschätzt geführt zu werden steht ihnen als ureigenes Recht zu.
Ergebnisse Workshop 2 „Verlässliche Arbeitszeiten“
Leitfrage 1: Was sind die Hindernisse?
Als größtes Hindernis für die verlässlichen Arbeitszeiten wird der Personalmangel genannt. Woraus dieser resultiert, wurde im Verlauf diskutiert:
- Unbesetzte Stellen
- Kurzfristige Ausfälle durch Krankheit
- Umbesetzungen in den Teams.
Da der Workshop einen lösungsorientierten Fokus hatte, wurde zügig zu Leitfrage 2 übergegangen.
Leitfrage 2: Was sind die Gestaltungsoptionen?
- Erhöhung der Minimalbesetzung
- Bessere Dienstplangestaltung durch Wunschdienstplan, Team-Dienstplan, Künstliche Intelligenz
- Gestaltung von „anderen Arbeitszeiten“ durch Änderung der Ablaufstruktur. Bsp.: Mütterdienste 8:00-13:00 Uhr, flexible Gestaltung der Dienstzeiten
- Schaffung von besseren Betreuungsstrukturen für Pflegeaufgaben oder Kinderbetreuung von Kolleginnen und Kollegen.
- „Einspringbereitschaft“ erhöhen durch Springerprämie (nicht nur finanziell, sondern auch durch Gewährung von festgeplanten freien Tagen)
Leitfrage 3: Was sind die Ziele?
a) auf politischer Ebene
- Erhöhung der gesetzlichen Personalbemessung und auch deren Vergütung
- Höhere Personalschlüssel
- Möglichkeit von bezahlten, gegenfinanzierten Praktika
- Es wurde auch ein verpflichtendes soziales, ökologisches, politisches Jahr angedacht, das, wie ehemals der Zivildienst, potenzielle Interessenten für die Pflege erschließen kann.
b) auf tariflicher Ebene
- Sonderzahlungen für ungünstige Dienste (steuerfrei)
c) auf betrieblicher Ebene
- Ausfallmanagement optimieren durch z.B.: “Joker- Dienste” (Eingesprungene Dienste, die man für festgeplante freie Tage verwenden kann)
- “Stand-by-Dienste“ (vergütete Zeit zu den Schichtwechseln, in der man abgerufen werden kann, z.B. zwischen 12:00-13:00 Uhr, wenn kurzfristig Bedarf besteht, und man dann abgerufen wird. Die Vorhaltezeit muss dann gut vergütet werden und auch auf x-Schichten begrenzt sein)
- Rufen aus dem Frei besonders vergüten
- Schaffen eines Corporate Identity durch Gemeinschaftsveranstaltungen
- Kooperationen zur Betreuung schaffen (Altenheime mit KITAs).
Ziel dieser Prozesse ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen (inkl. der Vereinbarkeit von Familie und Beruf). Sind die Arbeitsbedingungen gut, gewinnt der Pflegeberuf wieder die Attraktivität zurück, die ihm aufgrund seiner “schönen und erfüllenden“ Inhalte zusteht.
Dazu passt dann auch der von den Teilnehmenden immer wieder geäußerte Satz: „Pflege sei ein schöner, erfüllender Beruf der mit Leben gefüllt werden soll.“
Der Flyer der Veranstaltung auf der AK-Website
SR-Mediathek.de: aktueller bericht (25.01.2023), Pflegeforum der Arbeitskammer gestartet