Der Pflegebedarf wächst nicht nur in Deutschland
Ein Blick über den Tellerrand – Pflegeberufe im Ausland
In Deutschland gibt es immer mehr Pflegebedürftige und immer weniger Personal. Auch im Ausland hat man vergleichbare Probleme. In Großbritannien, Kanada, Schweden und den Niederlanden hat man Schwierigkeiten bei der Sicherung der pflegerischen Versorgung sowie bei der Rekrutierung von Fachkräften. Man bemüht sich, ähnlich wie bei uns, Rahmenbedingungen und Bezahlung zu verbessern.
Allerdings gibt es wesentliche Unterschiede was Aus-, Fort- und Weiterbildungen anbelangt. In den oben genannten Ländern wurden in den letzten Jahren vor allem Ausbildungskapazitäten ausgebaut, insbesondere der hochschulische Bereich. Daraus folgend gibt es in Großbritannien und Schweden einen Akademisierungsgrad von 100 Prozent, weil man sich in diesen Ländern nur an der Hochschule zur Pflegekraft ausbilden lassen kann.
In Kanada liegt der Akademisierungsgrad in der Pflege bei 61 Prozent, in den Niederlanden bei 44 Prozent – und in Deutschland bei ein bis zwei Prozent. Dabei fordert der Wissenschaftsrat eine Quote von zehn bis 20 Prozent. Pflegende im Ausland haben deshalb oft einen größeren Verantwortungs- und Kompetenzbereich und arbeiten auf Augenhöhe mit den Ärzten. In Deutschland wird noch immer am Prinzip der Delegation festgehalten. Pflegekräfte sind noch immer „der verlängerte Arm“ der Ärzte. In Deutschland hat man das erkannt. Vertreter der Ärzteschaft, Politik und Wirtschaft haben sich bereits dafür ausgesprochen, dass Pflegende mehr Kompetenzen erhalten sollen, die diese autonom verantworten, wie zum Beispiel die Wundversorgung.
Unterschiede in den Aus- und Weiterbildungen
Die Pflegeausbildung im Ausland nimmt, nicht wie in Deutschland eine berufs- und bildungsrechtliche Sonderstellung ein, sondern ist in den regulären Bildungsstrukturen verortet. In Deutschland unterliegt die Pflegeausbildung nicht dem Schulrecht der Länder. Das kann zu einer Benachteiligung bei Finanzierung, Ausstattung und Qualifizierung des Lehrpersonals führen. Auch die externe Qualitätssicherung – und Entwicklung, wie sie für andere Berufsschulen geregelt ist, entfällt für Pflegeberufsschulen.
Mehr Verantwortung
Im Ausland werden Pflegenden in der Patientenversorgung mehr Verantwortungs- und Kompetenzbereiche zugesprochen als in Deutschland. Dies wurde durch eine gesetzlich legitimierte Neuverteilung der Aufgaben möglich gemacht. Das ist nicht zuletzt durch einen höheren Anteil an akademischen Pflegekräften umsetzbar. International ist ein Hochschulstudium auf Bachelorebene oft die Voraussetzung für die Zulassung als Pflegefachperson.
Beteiligung von Pflegenden an der Entwicklung von Lösungen zum Erhalt der Gesundheitsversorgung
In den oben genannten Ländern können sich Pflegenden aktiv an der Entwicklung zum Erhalt der Gesundheitsversorgung beteiligen, da sie das Recht und die Pflicht einer Mitbestimmung von professionellen Interessensvertretungen des Berufsstands und von der Politik übertragen bekommen haben. Bemühungen der Pflege, um weitere Professionalisierung und Qualifizierung voranzutreiben werden von der Gesundheits- und Bildungspolitik moderiert und mit einer kohärenteren Gesamtstrategie gerahmt.
Der Qualifikationsmix
Pflegeassistenten und Helfer spielen eine wichtige Rolle bei der täglichen Arbeit. Egal ob Klinik, ambulante Versorgung oder Pflegeinrichtung, Fachkräfte sind auf die Unterstützung angewiesen. Pflegeassistenten und Helfer übernehmen einfachere pflegerische Aufgaben. Sie werden dabei von Pflegefachkräften angeleitet und beaufsichtigt, was die Patienten- und Versorgungssicherheit gewährleistet. Doch der Mangel an Fachkräften kann durch den Einsatz von Pflegeassistenten nicht aufgefangen werden.
Bei besonderen Bedarfen, wie zum Beispiel bei speziellen, schwierigen Krankheitsverläufen oder Technisierung der Pflege, kommen auch Pflegeexperten, die sich im Rahmen eines Masterstudiums auf Patientengruppen, Krankheitsbilder oder Funktionen spezialisiert haben zum Einsatz und nehmen teilweise auch Aufgaben wahr, die vormals dem ärztlichen Aufgabenbereich zugeschrieben wurden. Pflegeexperten sichern die Innovationsfähigkeit der Pflege, indem sie Kenntnisse und Praxisentwicklung zur Mitwirkung an der Pflegeforschung nutzen. Sie engagieren sich Teams mit Ärzten und Vertretern anderer Gesundheits- und Sozialberufe. Sie sind in der Krankenversorgung, Gesundheitsförderung und Prävention tätig. Sie tragen außerdem zur Gesundheitskompetenz und zum Selbstmanagement chronisch kranker Patienten bei, stärken informelle Unterstützungsnetze und beugen so der Abhängigkeit von Fremdhilfe vor.
Diese Ausdifferenzierung der Pflege geht mit einem gesellschaftlich akzeptierten und berufsrechtlich abgesicherten Neuzuschnitt von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen einher, wobei die für jedes Setting und Aufgabengebiet ein spezifischer, bedarfsorientierter Qualifikationsmix angestrebt wird.
Zukunftssicherung der Pflege
Durch all diese Maßnahmen werden soziale Innovationen auf den Weg gebracht:
- Förderung der Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit der diversen Bildungsangebote für die Pflege.
- Initiativen zur Erhöhung ihrer Selbstbestimmung und Selbstorganisation.
- Selbstorganisierte Pflegeteams und „Pflegebauernhöfe“ engagieren sich mit Kommunen und Nachbarschaften für den Aufbau regionaler Versorgungsnetzwerke.
- Pflegerische Primärversorgung schafft einen niederschwelligen Zugang der Bevölkerung zu allgemeinen Gesundheitsdienstleistungen.
- Pflegeexperten bieten Sprechstunden an und fördern die Gesundheitskompetenz chronisch kranker Menschen.
- Pflegeheime werden zu Innovationszentren, um Studierende für die Langzeitversorgung ausbilden und gewinnen zu können. Zugleich wird dadurch die Pflegequalität und Patientensicherheit in diesen Einrichtungen verbessert.
Umgang mit moderner Technologie
Den Möglichkeiten moderner Technologien, der Digitalisierung und Robotik begegnet man aufgeschlossen. Die elektronische Patientenakte sowie E-Konsultation sind in den Niederlanden, Schweden und Kanada selbstverständlich. Die Berufsgruppe ist an diesen und anderen technischen Entwicklungen aktiv und verantwortlich beteiligt.
In Deutschland weiß man, dass man deutlich nachbessern muss, um den Beruf der Pflege attraktiver zu gestalten. Neben besseren Rahmenbedingungen, besserer Vergütung, würde es sich lohnen, eine Neuordnung der Aufgaben im Gesundheitsbereich, auch hinsichtlich des Fachkräftemangels zu überdenken. Die Pflege muss insgesamt aufgewertet werden. Pflegende sollten priorisiert hochwertige Aufgaben erledigen.
Das Ergebnis eines ersten Umsetzungsberichts zur Konzertierten Aktion Pflege, der am 13.11.2020 vorgestellt wurde, zeigt, dass die Arbeitsbedingungen schrittweise verbessert werden.
Wir sind auf einem guten Weg…
Wer mehr darüber erfahren möchte, findet unten die entsprechenden Quellenangaben
Quellen:
- Ruf nach mehr Kompetenzen für Pflegekräfte (aerzteblatt.de)
- Pflegekräfte sollen eigene Kompetenzbereiche erhalten (aerzteblatt.de)
- PinaL-Studie: „Pflege in anderen Ländern – Vom Ausland lernen?“ – Stiftung Münch (stiftung-muench.org)
- Konzertierte Aktion Pflege legt Umsetzungsbericht vor – Bundesgesundheitsministerium