Veröffentlicht am 25. Juni 2021

„Leiharbeit“ in der Pflege – über Zeitarbeitskräfte, Stammpersonal und Frust….

Das Covid die Lage in den Kliniken und Pflegeinrichtungen enorm beeinflusst hat, wurde bereits mehrfach berichtet. Personalknappheit, Ausfälle durch Krankheit oder sogar durch Kündigungen mussten nicht nur Kliniken und Pflegeeinrichtungen bewältigen.

Auch ambulante Versorgungsdienste hatten größte Mühe Personalausfälle zu kompensieren. Ein Kraftakt für das Pflegepersonal und die Führungskräfte. Bereits zu Beginn der Pandemie war die Pflege von erheblichen Personalknappheit geprägt. So haben viele Kliniken und Pflegeeinrichtungen als Kompensationsmodell auf den Einsatz von Zeitarbeitskräften gesetzt. Allerdings hat sich herausgestellt, dass sowohl die Verfügbarkeit als auch der Einsatz teilweise problematisch ist und zudem hohe Kosten verursacht. Pflegefachkräfte aus Leiharbeitsfirmen stehen oft nur zu bestimmten Diensten zur Verfügung, arbeiten an den Wochenenden und Feiertagen sowie in der Nacht meist nur eingeschränkt.

Entlastung oder Belastung?

Da eine Entlastung nur gewährleistet ist, wenn die Leiharbeitskräfte „normal“ oder nach „Bedarf“ eingesetzt werden können, wird aus einer vermeintlichen Entlastung oftmals eher eine Belastung für das Stammpersonal. Die Dienste müssen häufig den Wünschen der Leihkräfte entsprechend eingetragen werden und das bedeutet für das Stammpersonal zusätzliche Dienste, andere ungewohnte Dienste oder „Springen“. Unter dem Strich kann es zu Mehrarbeit und nicht selten auch zu Unmut kommen über die vermeintlichen Vorteile, die Kolleg*innen aus der Leiharbeitsagentur haben.

Ungleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation

Für weiteren Frust sorgen könnten auch die unterschiedlichen Gehälter. Pflegefachkräfte, die bei Leiharbeitsfirmen arbeiten, verdienen häufig wesentlich mehr Geld. Zeitarbeitsfirmen können die Gehälter der Beschäftigten selbst bestimmen. Hier herrscht das Prinzip von Angebot und Nachfrage und in der Personalnot bezahlen die Kliniken und Einrichtungen die geforderten Preise, die diese besseren Gehälter ermöglichen.

Qualität oder Quantität?

Einbußen sind zumindest bei Einsatzbeginn auch bei der Pflege- und Versorgungqualität zu erwarten. Die „Kollegen auf Zeit“ müssen zuerst eingearbeitet werden. Abläufe, Versorgungsstrukturen, Standards müssen erklärt und unter Aufsicht oder Anleitung von Stammpersonal praktisch umgesetzt werden. Sind die Kollegen und Kolleginnen dann endlich sicher eingearbeitet, verlassen sie häufig wenige Tage später die Einrichtung oder werden ausgetauscht. Somit sind die Einsätze unterm Strich nicht immer effizient und können das Stammpersonal belasten.

Prekär oder attraktive Nische?

Pflegefachkräfte, die bei einer Zeitarbeitsagentur angestellt sind, haben die Option, dem „normalen Alltag“ auf einer Station zu entfliehen. Sie stehen oft nicht so sehr unter Druck wie das Stammpersonal, können die Rahmenbedingungen für ihren Einsatz sowie ihre Dienste meist selbst bestimmen und auf ihre Work-Life- Balance bestehen, verdienen meist um einiges mehr. Was man in anderen Branchen als prekär bezeichnen würde, ist hier eine Nische für Pflegekräfte, sich dem permanenten Druck zu entziehen.

Die Politik will die Zeitarbeit im Pflegesektor eindämmen, allerdings ist davon auszugehen, dass sich der Mangel an Pflegekräften weiter verschärfen wird.

Während in anderen Bereichen durch den Einsatz von Zeitarbeitskräften Flexibilität gewährleistet oder Personalkosten gesenkt werden können, ist der Personalbedarf in der Pflege dauerhaft hoch.

Die Kosten für „Leiharbeiter*innen“ übersteigen oft die des Stammpersonals. Die Pflegepersonalkosten sind aus den Fallpauschalen (DRG) ausgegliedert und werden von den Kassen (auf Basis von Budgetverhandlungen) erstattet – allerdings nicht die Mehrkosten der Zeitarbeit.

Die Politik will die Zeitarbeit im Pflegesektor eindämmen, allerdings ist davon auszugehen, dass sich der Mangel an Pflegekräften weiter verschärfen wird, wenn sich die Arbeits- und Rahmenbedingungen, sowie die Bezahlung nicht verbessern. Dazu gehört auch eine allgemeinverbindliche, tarifliche Bezahlung – insbesondere in der Altenpflege. Würde man die Dienstleister vollständig verbieten, wären die Auswirkungen im Gesundheitsbereich fatal. Nach einer 2019 veröffentlichten Detailanalyse der Bundesagentur für Arbeit gibt es in der Krankenpflege in Deutschland rund 22.000 Leiharbeitnehmer, in der Altenpflege 12.000. Im Saarland ist diese Form noch wenig verbreitet (229 Personen im Juni 2018). Auch Minijobs spielen bisher keine große Rolle (1.200 Minijobber im Juni 2018).

Allerdings ist es bei der Gesamtsituation in der Pflege nachvollziehbar, dass sich immer mehr gut ausgebildete Pflegefachkräfte mit Fachweiterbildungen, weiteren Qualifikationen sowie Berufserfahrung den „Standard-Arbeitsbedingungen“ in der Pflege entziehen wollen.


Quellen:

2019-AK-Jahresbericht.pdf (iso-institut.de) 

„Leasing ist wie ein stummer Streik“ – Zeitarbeit in der Pflege (ssoar.info) 

Win-win? Zeitarbeit in der Pflege | springerpflege.de 
Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten?“ Masterarbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. PflegeZ 6 (74) 45 Pflegepersonalstärkungsgesetz: Zeitarbeitsfirmen rechnen mit Marktbereinigung (pflegen-online.de)

Pflegepersonalstärkungsgesetz: Zeitarbeitsfirmen rechnen mit Marktbereinigung (pflegen-online.de) 

Zeitarbeit in der Pflege – Ungleichheit oder Chance? (medwing.com) 

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