#nichtselbstverständlich: Auch Ambulante Pflege braucht Aufmerksamkeit!
Besonders in der „Hochzeit“ der Pandemie gingen bei uns Hilferufe von Ambulanten Pflegediensten ein.
„Wir haben keine Leute mehr“; „Ich kann meine Patienten nicht mehr versorgen“; „Alle Mitarbeiter sind in Quarantäne-ich kann zusperren“.
Personalknappheit ist im ambulanten Sektor allerdings nichts Neues. Auch schon vor Corona-war die Personalsituation in den Ambulanten Pflegediensten schwierig.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Dezember 2019 in Deutschland 4,13 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Im Saarland waren zum Jahresende 2019 knapp 55.000 Menschen pflegebedürftig. 21 Prozent mehr als im Jahr 2017.
Allerdings ist ein Teil des Anstieges, dem im Rahmen des zweiten Pflegestärkungsgesetzes geänderten Begriff der Pflegebedürftigkeit zurückzuführen. Die Pflegestatistik wird alle 2 Jahre vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Im Saarland leben knapp 43.500 Pflegebedürftige zu Hause. Fast 30.000 werden ausschließlich durch Angehörige versorgt, die nur Geldleistungen beziehen und keine Pflegeleistung erhalten.
Bedarf und die Relevanz der ambulanten Pflegdienste wächst stetig weiter
Die Versorgungsrate durch ambulante Dienste im Saarland liegt bei 19,6 Prozent und ist laut Statistik bundesweit die Niedrigste. Allerdings kann die Statistik keine genaue Aussage über den tatsächlichen Bedarf an ambulanter Pflege treffen. In diesen Statistiken finden sich keine Aussagen darüber wie viele Menschen einen Pflegedienst im Umkreis suchten, aber nicht fanden, da die bereits ausgelastet waren. Oder wie viele Menschen, obwohl sie eine Versorgung zu Hause wünschten, in ein Pflegeheim umziehen mussten. Klar erkennbar ist allerdings, dass der Bedarf und die Relevanz der ambulanten Pflegdienste stetig weiterwächst. Umso wichtiger ist es, dass man hier auf die grundsätzliche Personalausstattung schaut.
Durch die Corona-Pandemie wurde deutlich, dass die zusätzlichen Personalausfälle, sowie die erschwerten Arbeitsbedingungen und die erweiterten Hygieneanforderungen die Belastung in der ambulante Pflege enorm erhöhen.
Immer wieder kommt es zu (Verdachts-) Infektionen und dadurch zu Personalausfällen.
Die MitarbeiterInnen müssen in Quarantäne, oder fallen dauerhaft aus. Neben den Krankenscheinen, die anderen Leiden geschuldet sind, sind diese Personalausfälle für die Pflegedienste fast nicht zu bewältigen. Schutzmaßnahmen zur Prävention, wie soziale Distanz sind in diesem Bereich nicht umsetzbar, da Schutzmaterialien von Anfang an knapp waren oder fehlten dauerhaft. Masken wurden mehrmals getragen, da kaum Nachschub kam.
Die Personalsituation war und ist immer noch kritisch. Es wird für die Verantwortlichen immer schwerer “Touren“ personell abzudecken.
Teilstationäre Pflege- und Betreuungseinrichtungen, die viele der ambulant versorgten Patienten noch zusätzlich in Anspruch nehmen, bieten bis dato nur einen Teil Ihres Betreuungsspektrums an. Für die Klienten, die zusätzlich Unterstützung von MigrantInnen aus Mittel- und Osteuropa haben, wird „Ersatz“ von den Ambulanten Dienstleistern in Bereichen Haushaltsnahe Dienstleitungen und Grundpflegeleistungen gefordert. Aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Reisebeschränkungen sind die meisten von ihnen wieder zurück in ihre Heimat. Dadurch hat sich die Situation zusätzlich verschärft. Die Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, sind also für alle Beteiligten enorm hoch.
Ambulante Versorger müssen mit knappen personellen und materiellen Ressourcen, sowie veränderten Arbeitsprozessen ihre Versorgungsstandards qualitativ hochhalten und zusätzlich der Fürsorgepflicht für Beschäftigte gerecht werden. Die Anfragen steigen und der Bedarf erhöht sich enorm. Versuche mit umliegenden ambulanten Versorgern Personal auszutauschen werden mit mäßigem Erfolg unternommen. Spätestens hier wird die Situation prekär für alle Beteiligten.
Das Argusauge von Politik und Öffentlichkeit liegt derzeit auf Kapazitäten von Kliniken, insbesondere von intensivmedizinischen Betten.
Jedoch erfordert der ambulante Bereich dringend mehr Aufmerksamkeit! Der Personalmangel und die hohen Fluktuationsraten in der ambulanten Pflege sind ein permanentes Problem, das Pflegebedürftige in der häuslichen Versorgung heute schon belastet und zukünftig noch mehr gefährden könnte. Es kommen kaum junge Menschen nach. Viele brechen die Ausbildung wieder ab.
In Anbetracht des Pflegebedarfs, der 2030 auf prognostizierte 5 Millionen Pflegebedürftige steigen wird, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die Perspektive und den Focus auf bessere Arbeitsbedingungen, einen erforderlichen neuen Personalmix, das Einkommen oder die Arbeitszeiten der Pflege, sowie Wertschätzung der MitarbeiterInnen und zur Anreizschaffung für Berufsrückkehrer zu richten.
Eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit der Pflegekräfte sollte mit entsprechenden Maßnahmen und Neuerungen, sowie qualitativer Aufwertung der Arbeit angestrebt werden. Mit diesen Maßnahmen kann die Sicherstellung der ambulanten Versorgung auf einen guten Weg gebracht werden.
Die Kolleginnen und Kollegen der ambulanten Pflege haben Enormes während der Corona-Pandemie geleistet und tun es immer noch! Die Solidarität der Einrichtungen untereinander und die selbstlose Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen hat dazu beigetragen, dass die ambulante Pflege zum aller größten Teil funktioniert hat.
Quellen:
- Pflege: Pflegebedürftige in Deutschland – Statistisches Bundesamt (destatis.de)
- SR.de: Viele Pflegebedürftige werden zuhause versorgt
- ZQP-Analyse-SicherheitskulturAmbulant.pdf
- Pflege in Zeiten von Corona: Ergebnisse einer deutschlandweiten Querschnittbefragung von ambulanten Pflegediensten und teilstationären Einrichtungen | Pflege (hogrefe.com)
- Im Hotspot: Corona und die ambulante Pflege | SpringerLink