Veröffentlicht am 22. März 2024

„Präsentismus in der Pflege“

Gerade in der Pflege findet man das „Präsentismus-Verhalten“ recht häufig, vor allem bei älteren Fachkräften, die mehr als 15 Jahre in ein und demselben Unternehmen beschäftigt sind.

„Vier von zehn Pflegekräften erscheinen häufig trotz Krankheit am Arbeitsplatz.“

In der aktuellen repräsentativen „Pflegestudie 2.0“, die die BARMER und das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) veröffentlicht haben, wurden im Juni 2023 Ressourcen und Belastungen von rund 1.000 Pflegekräften in der ambulanten und stationären Versorgung analysiert. Fast die Hälfte von ihnen gab an, häufig oder sehr häufig trotz Krankheit zu arbeiten. Mit rund 31 Prozent war der Wert bei Pflegekräften, die bis zu zehn Jahre für ihren Arbeitgeber tätig waren, am niedrigsten.

Unterschiedliche Gründe bringen Beschäftigte dazu, trotz Krankheit zur Arbeit zu kommen:

  •  Unterschätzen der Erkrankung. Fehlende Selbstwahrnehmung, Symptome und Missempfindungen werden nicht wahrgenommen, Überschätzen der eigenen Konstitution.
  • Angst vor Arbeitsverlust und negativen Konsequenzen durch „Krank“ sein, finanzielle Sorgen.
  • Hohes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Arbeitgeber und dem Team.
  • Personalnot. Viele gehen den Kollegen zuliebe krank zur Arbeit.
  • Schuldgefühle. Schlechtes Gewissen den Patienten und den zu Pflegenden, Vorgesetzten und Kollegen gegenüber, gesteigertes Verantwortungsgefühl füreinander.
  • Erfolgsdruck geht auch mit der Angst einher, den Arbeitsplatz oder die Stellung zu verlieren, „Konkurrenzkämpfe“.
  • Spaß an der Arbeit: Übersehen von eigenen Grenzen und das Zurückstellen von persönlichen Interessen wegen der Arbeit.
  • Das Gefühl unentbehrlich zu sein nimmt mit höherer Stellung in der Hierarchie meist zu. Als Verantwortliche Führungskraft kann man sich nur schwer zurückziehen.
  • In manchen Einrichtungen wird es sogar als besonderes Engagement gesehen, wenn man krank zur Arbeit kommt.
  • Die Arbeitsbedingungen auf personenbezogener, arbeitsbezogener und organisationsbezogener Ebene spielen ebenfalls eine Rolle, wenn es darum geht, krank zu arbeiten. Eine Studie von Dietz et al. (2020) zeigt, dass sich Beschäftigte stark am Gesundheitsverhalten der Führungskräfte orientieren. Wenn diese sich trotz Krankheit keine Auszeit gönnen, folgen Mitarbeitende oft diesem Beispiel (https://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/praesentismus-krank-zur-arbeit_94_569726.html).
  • Stigmatisierung: Wer sich aus psychischen Gründen krank meldet, wird eher als leistungsunfähig stigmatisiert. Führungskräfte trauten laut einer Studie von Reichhart (2015) Mitarbeitenden mit Burnout oder Depressionen weniger für die Zukunft zu, als Menschen mit körperlichen Krankheiten, wie z.B. einer Schilddrüsenerkrankung (https://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/praesentismus-krank-zur-arbeit_94_569726.html).

Krank zur Arbeit zu gehen, ist kein Kavaliersdelikt

Jeder zweite Beschäftigte (51 Prozent) in Deutschland geht manchmal, häufig oder sehr häufig krank zur Arbeit. Das geht aus einer Befragung der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, die vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung aus Konstanz zwischen 2018 und 2021 durchgeführt wurde. Mehr als 11.000 Beschäftigte wurden befragt. Der Großteil war in Unternehmen tätig. 16 Prozent der Teilnehmer waren in öffentlichen Einrichtungen angestellt.

In der Beschäftigtenbefragung des „DGB-Index Gute Arbeit“ des Jahres 2021 gaben 48 Prozent aller Befragten an, im vorangegangenen Jahr mindestens einmal gearbeitet zu haben, obwohl sie sich richtig krank fühlten. Der Anteil der Frauen lag bei 53 Prozent, der Anteil der Männer bei 43 Prozent. Es gibt auch demografische Unterschiede: Ältere Beschäftigte von 55 bis unter 65 Jahren arbeiten mehr als jüngere (25 bis unter 35).

Wer trotz Erkrankung zur Arbeit geht, gefährdet nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die von Kollegen und Patienten. Wird die Erkrankung unterschätzt oder verschleppt, drohen dem Arbeitgeber und dem Team meist längere Ausfälle. Zudem schaden die Beschäftigten dem Unternehmen.

In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass Arbeiten trotz Erkrankung höhere wirtschaftliche Kosten verursacht, als wenn ein krankheitsbedingter Ausfall (Krankenschein) entsteht. Außerdem hat man einen Zusammenhang zwischen Präsentismus und Langzeitarbeitsunfähigkeit nachgewiesen. In Nordamerika untersucht man den Einfluss von Präsentismus auf Produktivitätsverluste, die sich aus gesundheitlichen Beschwerden bei der Arbeit ergeben. Denn wer angeschlagen oder krank zur Arbeit kommt, ist in seiner Aufmerksamkeit und seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Es passieren Fehler, die unter Umständen zu Folgekosten führen können. Zudem ist das Unfallrisiko erhöht.

Dauerhafter, regelmäßiger Präsentismus erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Störungen. Es ist wichtig, die eigenen emotionalen und körperlichen Signale ernst zu nehmen!

Die Themen Achtsamkeit, Gesundheitsbildung, wertschätzende Betriebskultur, gute Arbeitsbedingungen und Entlastung spielen eine gewichtige Rolle, damit Pflegekräfte krankheitsbedingte Abwesenheit nicht mit der Angst vor möglichen negativen Konsequenzen verbinden. Sie sollten bereits zu Beginn der Ausbildung ein fester Bestandteil der Curricula sein.

Vor allem Führungskräfte sollten verstärkt in diesen Bereichen geschult werden, um Gesundheitskompetenzen zu verbessern, zu stärken und zu lernen, wie man gesundheitsbewusste Entscheidungen trifft, die der eigenen Gesundheit und der Gesundheit der Mitarbeiter sowie dem Wohl des Unternehmens zugutekommen.

Gesundheitsbildung und ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sind wichtige Bausteine, um die Leistungsfähigkeit von Beschäftigten und Einrichtungen langfristig zu sichern. Es ist erstrebenswert eine Betriebskultur zu schaffen, die die Pflegekräfte für die Themen Achtsamkeit, Selbstwahrnehmung, Selbstfürsorge und Gesundheitsbildung sensibilisiert und ihnen ermöglicht, sich regelmäßig innerhalb der Institution über berufsspezifische physische und psychische Arbeitsbelastungen auszutauschen.

Viele Einrichtungen haben bereits erkannt und wissen, dass ein „Umdenken“ im Unternehmen nötig ist. Laut dem renommierten Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Professor Bernhard Badura, Mitautor des jährlichen Fehlzeiten-Reports des WIdO und der BAuA-Studie, muss eine Abkehr von der Kultur der Unachtsamkeit für Gesundheit stattfinden.

Grundsätzlich ist es wichtig, insgesamt gute Rahmenbedingungen zu schaffen und sich an Absprachen bezüglich Arbeitszeitregelungen und zusätzlich getroffener Vereinbarungen zu halten. Auch das Gratifikationssystem sollte überprüft und bei Änderungen oder sonstiger Notwendigkeit angepasst werden.  Es ist aber auch wichtig, dass Führungsgrundsätze auf ihre langfristigen Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten regelmäßig überprüft und evaluiert werden, um die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten zu stärken und ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

All dies sind zudem fundmentale Bausteine, um langfristig Fachkräfte im Betrieb zu halten, als Arbeitgeber attraktiver zu sein und in Kombination die beste Prävention von Präsentismus.

Laut liga.Fakten* ist eine wertschätzende, sichere und gesunde Unternehmenskultur, eine, in der die Gesundheit, Sicherheit und Zufriedenheit der Mitarbeiter einen hohen Stellenwert hat !

Viele Grüße aus dem Referat Pflege!


Weitere Informationen zum Thema:

DGB-Index-Kompakt 2022 „Arbeiten trotz Krankheit“
iga.Fakten 6 „Präentismus – Verlust von Gesundheit und Produktivität“ *

Quellen:

BAuA – Körperliche Gesundheit – Präsentismus – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Präsentismus & Absentismus | BARMER
BARMER-Studie: Vier von zehn Pflegekräften gehen krank zur Arbeit
TK-Studie: Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt
Jeder Zweite geht krank zur Arbeit
BARMER-Studie – Pflegekräfte gehen vielfach auch krank zur Arbeit
Krank zur Arbeit (bibliomed-pflege.de)
Präsentismus – Krank zur Arbeit | Arbeitsschutz | Haufe
Arbeiten trotz Krankheit | DGB-Index Gute Arbeit
Präsentismus | AOK-Arbeitgeberservice
Präsentismus am Arbeitsplatz | BVPG (bvpraevention.de)

Auf dieser Webseite werden Cookies eingesetzt. Nähere Informationen über die Verwendungszwecke, die Art der erhobenen Daten sowie über die Möglichkeiten der Erhebung Ihrer Daten zu widersprechen, erhalten Sie hier: Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen