Veröffentlicht am 17. Juni 2022

Wenn der Sommer zum Problem wird

Der Sommer 2021 war europaweit gesehen, der wärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. In Zeiten des Klimawandels ist es nicht verwunderlich, dass wir in Europa auch in diesem Jahr wahrscheinlich mit einem sehr warmen und trockenen Sommer rechnen müssen, das sagen die Klimaexperten anhand ihrer aktuellen Langfristprognosen voraus. Besonders heiß soll es im Juli werden¹.


Nicht nur die zu Pflegenden, auch Beschäftigte sind stark belastet

Bereits im Jahr 2019 hat Dr. med. Martin Herrmann von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), einem bundesweiten Zusammenschluss von Ärzten, Pflegeberufen und weiteren im Gesundheitssektor Beschäftigten, kritisiert, dass Deutschland nicht für Hitzewellen gerüstet sei².

 „Es gibt kein für alle verbindliches Alarmsystem, keine Identifizierung von Gefahrenzonen und Risikogruppen, keine Hitzeleitstellen, keine Kühlzonen und keine Fortbildung für Niedergelassene, Krankenhaus- und Pflegeheim-Angestellte, mit ganz wenigen Ausnahmen.“

Auch der Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte sich für mehr Klimaanlagen in Altenheimen und Krankenhäusern ausgesprochen. Länder und Kommunen sollen die Einrichtungen unterstützen und mahnte, man müsse in der Pflege „dringend auf die immer extremeren Hitzewellen reagieren“³.

Geld und Infrastruktur fehlen, hohe hygienische Anforderungen und Wartungsauflagen

Klimatisiert werden nach wie vor meist nur die Funktionsbereiche in Kliniken (z.B. Notaufnahme oder der OP- Bereich). Klimaanlagen in Alten- und Pflegeeinrichtungen sind eher die Ausnahme⁴. Neben dem Geld fehlt die nötige Infrastruktur. Zudem gelten sehr hohe hygienische Anforderungen und Wartungsauflagen.

Bewährte Maßnahmen gegen die Hitze

Das Pflegepersonal ist trotz der fehlenden Mittel und Infrastruktur gegen die Sommerhitze gewappnet und sorgt mit bewährten Maßnahmen so gute es geht dafür, dass die Hitze keine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Patienten und Bewohner werden kann. Neben der ausreichenden Flüssigkeitszufuhr (im Sommer wird der Salz- und Flüssigkeitshaushalt noch akribischer überwacht), wird das Augenmerk auch auf eine leichte Ernährung mit erfrischendem Obst und Gemüse, anstatt schwerverdaulichem, gelegt. Je nach Einrichtung hat man die Option, die Essensbestellung entsprechend zu gestalten. Frische Obstkörbe und kühle Fruchtgetränke oder sogar Eis werden bereits in einigen Einrichtungen automatisch von der Küche für die Bewohner bereitgestellt. Luftige lockere Kleidung oder leichte Bettlaken sorgen bei Patienten und Bewohner für Erleichterung. Der Nachtdienst lüftet die Stationen und einzelnen Zimmer gut durch, hängt feuchte Handtücher auf, bis zum Morgen. Der Frühdienst schließt und verdunkelt alle Fenster wieder, lüftet auch mal zwischendurch, wenn die Mittagshitze vorüber ist. In den Gemeinschaftsräumen und Zimmern werden Ventilatoren oder Raumluftbefeuchter aufgestellt und sorgen für Abkühlung. Kleine Wellness-Angebote wie zum Beispiel kühlende Hand- und Fußbäder, die mit wohltuenden ätherischen Ölen, wie Lavendel, Melisse oder Kamille angereichert werden oder feuchte Umschläge mit Zitronenwasser, oder Sprühflaschen mit feinem Wassernebel sorgen für Abkühlung und Entspannung bei den zu Pflegenden. Allerdings bedeutet das auch ziemlichen Mehraufwand für das Pflegepersonal. Ist die Besetzung spärlich, können solchen Maßnahmen natürlich nur selten, bis gar nicht angeboten werden, was sehr bedauerlich ist und auf jeden Fall zu Lasten der zu Pflegenden geht. Häufiger zu sehen ist jedoch, dass Bewohner trotzdem nicht genügend Flüssigkeit zu sich nehmen und zu viel Flüssigkeit, durch das enorme Schwitzen, oder auch durch Medikamente, verlieren. Um eine Krankenhauseinweisung aufgrund einer Dehydration zu verhindern, greift man auf eine gängige, altbekannte Option zurück. Die subkutane Flüssigkeitssubstitution. Diese subkutanen Infusionen* werden vor allem bei betagten geriatrischen Patienten und schweren Pflegefällen gelegt⁵. Nach sorgfältiger Abwägung durch den behandelnden Arzt verordnet, delegiert er diese Tätigkeit an das Pflegepersonal. Dies ist gebunden an eine vorherige persönliche Inspektion des betroffenen Patienten. Die Verordnungsfähigkeit wurde auf 7 Tage begrenzt, unter der Prämisse einer regelmäßigen Rücksprache zwischen Arzt und dem ausführenden Pflegepersonal⁶.

Trotz Hitze gesundes Arbeiten

Neben Einhaltung der geltenden Arbeitsschutzrichtlinien⁷ ⁸ für Beschäftigte, sollten Behandlungs,- Medikamenten- und Aufenthaltsräume gut gelüftet werden. Auch hier können Ventilatoren und Raumluftbefeuchter aufgestellt werden, um einen Hitzestau zu vermeiden. Arbeitsabläufe können an die Hitze angepasst werden. Zum Beispiel sollten die Dienste so besetzt werden, dass anstrengende Aufgaben zu zweit in den Morgen- oder Abendstunden erledigt werden können. Es gibt beispielsweise Dienstplan-Modelle, die Zwischendienste beinhalten. Zusätzliches Personal, besonders im Sommer während der Hitzeperioden, wäre nicht nur für Patienten und Bewohner ein Bonus, sondern auch für die Beschäftigten. Leider ist das meist Wunschdenken, da kaum zusätzliches Personal verfügbar ist. Deshalb ist es umso wichtiger, das Pflegenden ausreichend Selbstfürsorge betreiben und auf sich achten. Eine angepasste Kost und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, mehrere kurzen Pausen sind empfehlenswert. Kühlende Umschläge und Tücher können in kleineren Pausen auf die Stirn, den Nacken und die Handgelenke aufgelegt werden, damit der Körper nicht überhitzt. Auch für Pflegekräfte gilt frisches Obst, Gemüse, Mineralwasser und lauwarme Kräutertees bringen wieder Energie, Abkühlung und entlasten den Organismus. Um Arbeitsabläufe sicherzustellen und alle Beteiligten bestmöglich zu schützen, ist es notwendig, dass die Beschäftigten die Symptome einer Hitzeerschöpfung oder einem Hitzschlag kennen und im Dienst gegenseitig auf Körpersignale und Anzeichen einer Überhitzung achten und Kollegen darüber informieren, damit schnell gehandelt werden kann⁹.

Hier wäre bei der Personalbesetzung oder Koordination von Betreuungsangeboten dringender Handlungsbedarf, denn bei hohen Temperaturen sind auch Pflegekräfte schneller erschöpft! Zudem müssen wir bedingt durch den Klimawandel auch in Zukunft mit Hitzerekorden, auch bei uns in Deutschland, rechnen. Es wäre daher zu begrüßen, wenn Hitzemaßnahmepläne, baulich notwendige Klimamaßnahmen in den Einrichtungen, finanzielle Unterstützung für die Träger und Einrichtungen, sowie die dafür notwendigen Finanzierungsmodelle wieder in den Fokus der Politik rücken würden.

Untersuchungen aus besonders heißen Jahren wie z.B. 2003, 2010 und 2015 zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Hitzewelle und einer überhöhten Sterblichkeit bei älteren, pflegebedürftigen Menschen (Steul (2018): Mortality during heatwaves 2003-2015 in Frankfurt/Main).

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

Informationsbroschüre zu Hitze- und Infektionsschutz (uni-muenchen.de)
Pflegenetzwerk Deutschland: Hitzeschutz – Tipps für gesundes Arbeiten bei 30 Grad (pflegenetzwerk-deutschland.de)
Broschuere-Pflege-im-Umgang-mit-dem-_Klimawandel_2020-07-fin.pdf (dbfk.de)

Viele Grüße aus dem Referat Pflege

 


Quellen:

¹ Hitzesommer 2022: Prognosen immer heißer und trockener! (daswetter.com)
² Tipps für Heimleitungen bei Corona und Hitze | Altenheim
³ Ruf nach mehr Klimaanlagen für Altenheime und Kliniken (aerzteblatt.de)
Ruf nach mehr Klimaanlagen für Altenheime und Kliniken (aerzteblatt.de)
Thieme E-Journals – DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift / Volltext (thieme-connect.de)
Thieme E-Journals – DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift / Volltext (thieme-connect.de)
Arbeitsstättenverordnung: Temperatur – Arbeitsrechte 2022
Arbeitsschutz im Krankenhaus – Arbeitsrechte 2022
Pflegenetzwerk Deutschland: Hitzeschutz – Tipps für gesundes Arbeiten bei 30 Grad (pflegenetzwerk-deutschland.de)

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