Veröffentlicht am 14. Juni 2024

„Young Carers“ – Wenn Kinder und Jugendliche Familienmitglieder pflegen

Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen einen kleinen Einblick in das Thema „Young Carers“ geben und dieser „kaum bekannten Gruppe“, die erhebliche Entlastung in das Pflegesystem bringt, Aufmerksamkeit und Anerkennung widmen.

Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen auf Bundes- und Landesebene

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland wird, laut den Ergebnissen der Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (Destatis), von rund 5,0 Millionen Ende 2021 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen, im Saarland bis 2055 auf bis zu 17%.

In einer weiteren Berechnungsvariante, die nicht nur den reinen Alterungseffekt bei konstanter Pflegequote beobachtet, sondern auch sich ändernde Pflegequoten in Erwägung zieht, kommt man auf eine deutlich höhere Zahl der Pflegebedürftigen. Bei dieser Variante wären es 2035 bereits 6,3 Millionen Pflegebedürftige (+27 % gegenüber 2021) und 2055 rund 7,6 Millionen (+53 %), 2070 schließlich insgesamt 7,7 Millionen (+55 %). i

Rund vier von fünf Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause von Angehörigen versorgt. Häufig unterstützt werden diese dabei von einem ambulanten Pflegedienst. Im Saarland werden knapp 20.000 pflegebedürftige Menschen zu Hause betreut, auch größtenteils von Angehörigen oder mit Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes.

Unterstützung kommt allerdings auch von einer besonderen Gruppe pflegender Angehöriger, die nicht oder nur selten im Fokus der Öffentlichkeit und der Medien steht: die „Young Carers“. Heute wollen wir deshalb den Blick auf diese Gruppe der Jugendlichen und Kinder richten, die Ihre Familienmitglieder mitpflegen.

Wer sind Young Carers?

„Als „Young Carers“ bezeichnet man Kinder und Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich regelmäßig um pflegebedürftige Familienmitglieder kümmern. Sie stellen eine kaum wahrgenommene und verborgene Gruppe pflegender Angehöriger dar.“ ii

In Deutschland pflegen 480.000 Kinder einen Familienangehörigen!

Diese „pflegenden Kinder“ übernehmen pflegerische Tätigkeiten, die zur gemeinsamen Bewältigung des Alltags innerhalb der Familiengemeinschaft verteilt werden. Sie gehen einkaufen, verrichten Botengänge, machen Wäsche, kochen, helfen bei der Nahrungsaufnahme und unterstützen bei der Körperpflege und der Mobilisation sowie bei der Ausscheidung. Sie übernehmen zahlreiche medizinische Tätigkeiten bis hin zur alleinverantwortlichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung, laut des Abschlussberichts des Departments für Pflegewissenschaft Fakultät für Gesundheit Universität Witten/Herdecke zum Projekt „Die Situation von Kindern und Jugendlichen als pflegende Angehörige“ iii.

Allerdings reden sie in der Öffentlichkeit eher nicht über ihre verantwortungsvolle und anstrengende Aufgabe, die sie zwischen Unterricht und Freizeit erwartet. Auch wenn die Kinder und Jugendlichen ihre zugeteilten Aufgaben selbstverständlich, der Familie zuliebe, ausführen, fürchten sie verspottet, ausgegrenzt oder von Ihren Klassenkameraden und Freunden stigmatisiert zu werden. Nicht selten werden Sie auch von Ihren Eltern angewiesen, nicht in der Öffentlichkeit oder in der Schule darüber zu sprechen. Dahinter steckt vermutlich die Angst, dass Behörden, zum Beispiel das Jugendamt, sich einschalten könnten.

Bundesweit pflegen im Schnitt pro Klasse bis zu zwei Schüler und Schülerinnen ein Familienmitglied

Bedenklich ist die hohe physische und psychische Belastung des Kindes bei der Pflege von (teils schwer-) erkrankten Familienmitgliedern. Sind Kinder zu stark in die Pflege der Angehörigen eingebunden, können dadurch nachteilige emotionale, soziale, schulische und körperliche Auswirkungen für ihre gesamte Entwicklung entstehen.

Diese spezifische Verantwortung ist gesellschaftlich nicht für sie vorgesehen. Besonders, weil keine adaptierten flächendeckenden Unterstützungsangebote für pflegende Kinder und Jugendlichen in Deutschland existieren. iv In Berlin ist die Beratungsstelle „echt unersetzlich“ als Beratungsstelle für Young Carers ansässig. Das Fehlen solcher Angebote beeinträchtigt die gesamte Entwicklung der betroffenen Kinder! Aber es gibt auch Positives zu berichten. Laut einer Studie des Zentrums für Qualität und Pflege (ZQP) berichten einige Jugendliche von einem stärkerem Familienzusammenhalt. Auch das Selbstwertgefühl der Teenager hat sich verbessert v

Forschung und Studienlage

Studien zum Thema gibt es seit ca. 25 Jahren. Laut einer Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) aus dem Jahr 2017 übernehmen in Deutschland etwa 5 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren regelmäßig pflegerische Aufgaben – hochgerechnet sind das derzeit etwa 230.000 Jugendliche. Erweitert man die Altersgruppe auf 10 bis 19 Jahre, sind es nach einer Studie der Universität Witten-Herdecke sogar 480.000 junge Pflegende.

Ziel dieses Beitrags

Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen einen kleinen Einblick in das Thema „Young Carers“ geben. Und dieser „kaum bekannten Gruppe“, die erhebliche Entlastung in das Pflegesystem bringt, Aufmerksamkeit und Anerkennung widmen, indem wir das Thema „Pflege von Angehörigen durch Kinder und Jugendliche“ etwas mehr in den Fokus rücken.

In Zukunft muss den „Young Carers“ in der öffentlichen Debatte deutlich mehr Beachtung geschenkt werden, entsprechende Unterstützungsangebote ausgeweitet und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. Insbesondere weil die Pflege von Angehörigen im häuslichen Umfeld in Zukunft ein großes Thema darstellen könnte.

Weitere, ausführliche Informationen zum Thema und bundesweite Hilfsangebote für Betroffene finden Sie unter:

Viele Grüße aus dem Referat Pflege!


 

Quellen:


i Pflegevorausberechnung: 1,8 Millionen mehr Pflegebedürftige bis zum Jahr 2055 zu erwarten – Statistisches Bundesamt (destatis.de)
ii Abschlussbericht_KinderundJugendlichepflegAngeh.pdf (bundesgesundheitsministerium.de)
iii Abschlussbericht_KinderundJugendlichepflegAngeh.pdf (bundesgesundheitsministerium.de)
iv Young Carers – Wikipedia v ZQP-Analyse-Junge-Pflegende.pdf

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